· Pressemitteilung

Umzugsvobereitungen der Rettungswache Kredenbach

Die Rettungsdienstmitarbeiter/innen freuen sich auf den Umzug in die neue Rettungswache Kreuztal. Bild: Björn Hadem
Die Rettungsdienstmitarbeiter/innen freuen sich auf den Umzug in die neue Rettungswache Kreuztal. Bild: Björn Hadem

Als Udo Krieger den Werkzeugschrank in der Fahrzeughalle entrümpelt, tauchen alte Blaulichter und Martinshörner längst ausrangierter Rettungsfahrzeuge auf, ebenso Anfahrhilfen, die längst durch Schleuderketten abgelöst wurden. Währenddessen hat Wachleiterin Ute Heß beim Ausräumen des Büroschranks mehrere Wachbücher aus den 70er Jahren in die Hand bekommen und beim Blättern viele Namen bereits pensionierter oder gar verstorbener Kollegen wiederentdeckt. Natürlich bewahrt sie diese Chronik einer 43-jährigen Ära Kredenbacher Rettungsgeschichte sorgsam auf.

Sie sind in einer der 15 Kisten verschwunden, die sie schon gepackt hat, bevor am Samstag nächster Woche die Rettungswache des DRK-Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein endgültig ihre beengten Räumlichkeiten an der Bernhard-Weiss-Klinik verlässt, um an der Marburger Straße in Ferndorf ihr neues Domizil zu beziehen. Die neue "Rettungswache Kreuztal" ist dann die modernste von kreisweit acht Rettungswachen, die das DRK im Auftrag des Kreises Siegen-Wittgenstein betreibt. Bereits seit 2002 zogen DRK und Kreis einen Neu- oder Umbau der Kredenbacher Rettungswache in Erwägung. Im vergangenen Jahr fiel der Entschluss, das Firmengebäude der OKS Otto Klein GmbH an der Marburger Straße zum neuen Wachstandort zu machen. Damit war der strategisch güngstigste Startpunkt für die Notfallversorgung der Städte Kreuztal und Hilchenbach gefunden.
Die dienstältesten Kollegen haben beim Umzug nächste Woche die Ehre, als letzten Umzugsakt die Fahrzeuge zum letzten Mal aus den alten Garagen in der Dr. Stelbrink-Straße zu rangieren. Einer von ihnen ist Udo Krieger, der als gelernter Kfz-Mechaniker seit Jahrzehnten für den Fuhrpark von Kranken- und Rettungswagen sowie Notarzteinsatzfahrzeug verantwortlich ist. Und obwohl er seit 1972 mit der Kredenbacher Rettungswache verbunden ist - er absolvierte dort seinen Zivildienst, bevor er ein Jahr später als hauptamtlicher Rettungssanitäter übernommen wurde -, trauert er den Räumen der alten Rettungswache keine Träne nach: "Ich bin nur froh, dass wir bald endlich Platz haben werden und alles moderner und schöner ist."  In der alten Fahrzeughalle hängen die gerade nicht in Gebrauch befindlichen Wagenräder noch an der Wand; in der neuen Kreuztaler Rettungswache wartet ein eigenes Regal auf die Reifen. Dort muss er sich dann auch nicht mehr mit zwei Kollegen ein Zimmer teilen, wenn nachts zwischen den Einsätzen Zeit zum Ruhen bleibt.
In anderthalb Wochen wird das, was den Arbeitsalltag von derzeit 21 festen und  13 ehrenamtlichen Mitarbeitern der zukünftigen Rettungswache Kreuztal ausmacht, nur noch Erinnerung sein: Noch kennen es die weiblichen Kollegen nicht anders, als dass sie sich im Bad oder in der Toilette umziehen, wenn sie in ihre Dienstkleidung schlüpfen; noch sorgt  Rettungsassistent und Desinfektor Stefan Biehl in der Fahrzeughalle für einen klinisch reinen Zustand des Rettungsequipments vor  und nach einem Einsatz, wissend, dass "die Räumlichen Bedingungen in der alten Wache nicht mehr den heutigen Ansprüchen und Unfallverhütungsvorschriften entsprechen", so der Routinier im Rettungsdienst. Der vordere Raum der alten Rettungswache fungiert als kombinierter Eingangsbereich, Büro und Aufenthaltsraum inklusive Funktisch und Garderobe für die Einsatzjacken.  Noch läuft auf der Wache ein Ersatzmelder immer mit, wenn ein Alarm eingeht, weil nicht in jeder Ecke der beengten Räumlichkeiten der digitale Meldeempfänger ausreichend Empfang hat. Und noch ist die Antenne des wacheigenen Funkgerätes neben dem Eingang am Geländer fixiert, damit das Team überhaupt zuverlässig mit der Leitstelle in Siegen kommunizieren kann. Es sind nur einige von vielen Unzulänglichkeiten, die den Umzug der Rettungswache Kredenbach in ein moderneres und größeres Gebäude mehr als nötig gemacht haben. Die chronische Enge auf knapp 70 Quadratmetern für sämtliche Sozialräume war bislang nicht nur ein Mangel an Luxus, sondern ein beruflich nicht mehr zeitgemäßer Zustand: Wenn Wachleiterin Ute Heß Mitarbeitergespräche unter vier Augen zu führen hatte, musste sie ihre Kollegen vor die Tür schicken, weil kein eigener Büro- oder Gesprächsraum vorhanden war . Oder das Sich-Zurückziehen nach einem belastenden Einsatz, das kurze Alleinsein mit den Gedanken an das Erlebte, bot die Kredenbacher Rettungswache kaum. Und doch bedeutet der Umzug nach Ferndorf ein Abschied "mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt Ute Heß: Ihr und ihren Kollegen werden die freundlichen Begegnungen mit dem Personal des Krankenhauses fehlen - das kollegiale Winken bei An- und Abfahrt, die gemeinsamen Kaffeepausen, die kleinen gegenseitigen Hilfestellungen, wenn in der Wache gerade das Kaffeepulver ausgegangen ist, womit dann die Kollegen der Station bislang ausgeholfen haben. Aber auch die freundlichen Hausmeister der Klinik werden fehlen, die immer für die Belange der Rettungswache ansprechbar waren. "Klar also, dass wir nicht von hier weggehen wollten, ohne uns von den Mitarbeitern des Krankenhauses zu verabschieden", sagt Ute Heß. So stieg am 30. Juni die so genannte "Abrissfete" in der Fahrzeughalle, zu der alle Klinikmitarbeiter eingeladen waren. Deren Verbundenheit mit den mobilen Kollegen auf vier Rädern wird auf der neuen Wache unvergesslich bleiben - nicht nur in den Köpfen, sondern auch in Form eines vom Krankenhauspersonal spendierten Fußballkickers für die Einsatzpausen.
Der entscheidendste Verbesserungsfaktor aber wird der Bevölkerung vor allem der abgelegenen Ortsbereiche in Kreuztal zugutekommen: Die Dr. Stelbrink-Straße, die sich vom Klinikgelände über mehrere hundert Meter bis zur Hauptstraße steil hinunter schlängelt, hat nicht nur im Winter wertvolle Zeit gekostet, die für ein rasches Eintreffen des Rettungsdienstes am Notfallort so wichtig ist. Die Vorgabe, binnen zwölf Minuten nach der Alarmierung mit einem Rettungsfahrzeug in allen Wohngebieten des Einzugsbereiches Kreuztal und Hilchenbach vor Ort zu sein, können die Kredenbacher Retter fortan deutlich besser erfüllen.  Von der Stadtgrenze zu Hilchenbach ist die neue Wache zwar weiter entfernt als der bisherige Standort am Kredenbacher Krankenhaus, aber Ute Heß erklärt: "Ein Gutachten hat gezeigt, dass der neue Standort  der strategisch günstigste ist. Von ihm aus sind alle Orte in Kreuztal und Hilchenbach am schnellsten zu erreichen. Bei den Zeiten für Einsätze in Hilchenbach verlieren wir zukünftig nichts; für die schnelle Präsenz im Stadtgebiet Kreuztal gewinnen wir hingegen zwei bis drei Minuten." Die Vorfreude auf eine neue Ära des Rettungsdienstes im nördlichen Siegerland motiviert die Mannschaft der Rettungswache Kredenbach, in diesen Tagen auch ehrenamtlich, also nach Feierabend, mit anzupacken, um den Umzug nach Kräften zu unterstützen. Sogar die Eheleute helfen mit, damit ab 11. August der Rettungsdienst störungsfrei von Ferndorf aus starten kann. Am Sonntag, 26. August 2012, können alle Interessierten ab 12.30 Uhr beim Tag der offenen Tür die Rettungswache bis 17 Uhr besichtigen. Ute Heß  freut sich: "Und wenn uns ab und an Gruppen wie Schulklassen einen Besuch abstatten, müssen wir uns fortan nicht mehr für unsere bescheidenen Räumlichkeiten schämen."  Rückblende: Noch weit bevor die Retter des Deutschen Roten Kreuzes im Jahr 1981 ihre neu gebaute Wache als Erweiterungstrakt des Kredenbacher Krankenhauses bezogen, starteten die Helfer direkt von der Klinik in den Einsatz: 1969 warteten die Sanitäter an der Krankenhauspforte auf den Notruf.  Der Ferndorfer Hans-Hermann Schanz fuhr den Krankenwagen für das Kreuztaler Stadtgebiet, Friedhelm Reis, Vater des heutigen Rettungsassistenten Udo Reis, besetzte das Fahrzeug, das für den Hilchenbacher Raum zuständig war. Heute undenkbar: Sie fuhren jeweils allein zu den Notfallorten und bekamen lediglich von den örtlichen Hausärzten Verstärkung. 1970 erhielten die hauptamtlich tätigen Rettungssanitäter (heute Rettungsassistenten) in den Räumen des unterhalb der Klinik gelegenen Schwesternwohnheims erstmals einen eigenen Rückzugsort während der Tagesschichten. Nachts besetzten Ehrenamtliche die Wache, die "gemütlich und kalt" gewesen sei, erinnert sich Udo Krieger als heute Dienstältester auf der Rettungswache. Er arbeitet seit 1972 als Sanitäter bzw. Rettungsassistent in Kredenbach. An Garagen für die elfenbeinfarbenen Fahrzeuge war damals nicht zu denken: "Wenn nachts im Winter ein Alarm kam, mussten wir die Autos erst einmal von Eis befreien", erinnert er sich. Ansonsten sorgten Heizlüfter in den Wagen dafür, dass sie überhaupt ständig benutzbar blieben. Am größten war der Fuhrpark der Kredenbacher Rettungswache in den 70er und 80er Jahren, als die Sanitäter neben den üblichen Rettungs- und Krankentransportfahrten auch unzählige Ambulanzfahrten in Pkw absolvierten, die heute vor allem von privaten Anbietern geschultert werden. Zur Fahrzeugflotte gehörten neben einem VW-Bus mehrere Krankenwagen auf Opel Rekord- und -Admiral-Fahrgestellen. Anfang der 80er Jahre bekamen die Kredenbacher Retter ihr erstes Notarzt-Einsatzfahrzeug (NEF), einen Ford Sierra, mit dem sie fortan den diensthabenden Arzt der Klinik mit in den Notfalleinsatz nehmen konnten. Gegenwärtig sind auf der Rettungswache Kredenbach ein NEF, zwei Rettungswagen (RTW) und ein Krankentransportwagen (KTW) für die Einsätze verfügbar. Von Kredenbach startet im Bedarfsfall aber auch der Schwerlast-Rettungswagen, der als Sonderfahrzeug für schwergewichtige Patienten kreisweit zum Einsatz kommt und sich bewährt hat.
14 freie Notärzte aus der Region sorgen rund um die Uhr für eine lückenlose Notfallversorgung. Sie werden größtenteils mit dem Notarzteinsatzfahrzeug von zu Hause oder in der Praxis abgeholt und dann gemeinsam mit einem Rettungsassistenten zum Patienten fahren. Wenn ein Notarzt Dienst hat, der nicht in Kreuztal oder Hilchenbach wohnt bzw. arbeitet, ist er auf der Rettungswache verfügbar und schlief bislang in einem Kredenbacher Gasthof. Auch das wird sich mit dem jetzigen Umzug der Rettungswache nach Ferndorf ändern: Dort steht für den Mediziner nun ein eigenes "Notarzt-Apartment" bereit.  Text und Bilder: Björn Hadem